und damit haben wir die vergangenen Wochen einfach mal aufgeholt.
„Ich kriege hier ’nen Hüttenkoller!“ C. stand sehr aufrecht vor mir. Er arbeitet an seiner Doktor-Arbeit, ist also ein Bald-Dr., wie wir ihn innerfamiliär nennen. Und wenn er den Dr. hat, dann sticke ich ein Türschild. Mit Herr Dr. C. und Frau H.. Und am Telefon kann ich dann immer sagen: „Da muss ich ja mal den Herrn Dr. fragen…“ Hachja…aber zurück zum Hüttenkoller.
Und sei er erstmal für drei Tage zu seiner Mama, das Wohnzimmer renovieren und danach…danach…dann sei Groß-E.’s Zimmer dran.
Ich dachte so: „Jaaaajaaaaa…“
Und der Gedanke war falsch. Seit Donnerstag wird hier gebaut, geschraubt, Tapete geklebt und ich habe Baustaub, Baustaub, Baustaub, weil C. die Zimmerdecke geöffnet hat in E.’s Zimmer und unter das Spitzdach eine Schlafkoje gebaut hat. Allerdings hat er sämtliche Türen in den Stockwerken offen gelassen…..Hachja.
Donnerstag ging es also los, der erste Schutt flog in die Einfahrt, C. hatte für Freitag mal eben so nebenbei einen kleinen Container bestellt, als es um drei klingelte.
Ich war auf der Toilette, als Klein-E. die Tür öffnet. Unser Gästeklo ist im Eingangsbereich in der unteren Etage und so konnte ich hören, wie jemand nach jemandem fragte. Und Klein-E.’s Verunsicherung.
„E., ich komme gleich.“ Geschäft zu Ende, Hände waschen, ab an die Haustür.
Eine kleine Frau mit streng zurück gekämten Haaren fragte mich, ob Kim bei uns sei.
*Kim ist die Exfreundin von A.. Und als ihre Mutter sie mit einem Joint und einem Tütchen Gras in der Tasche erwischt hat, da rief mich nicht nur die Mutter an und fragte, was sie mit dem Zeugs machen solle (Nein, ich habe nicht gesagt:“ Rauch es selbst.“, sondern habe ihr gesagt, sie solle es vernichten.), sondern einen Tag, nachdem A. mit ihr Schluß gemacht hatte, schrieb mich das Mädel über What’s-app an und wollte mir erzählen, was mein Sohn so alles macht und sowas wie eine Lebensbeichte ablegen.
Ich habe ihr geantwortet, das die Nudelsupp‘, auf der ich daher geschwommen bin, das die schon so kalt ist, das sie als Stieleis dienen kann. Und sie mich in Ruhe lassen soll. Ich kenne meine Schweine am Gang, und, meine Lieben, wenn man seine Kinder beobachtet, und was anderes kann man kaum in der Pubertät machen, dann merkt man das, oft sogar, was sie da genutzt haben.
Aaaaber: Eine Woche drauf schrieb mich ihre Mutter an. Fragte mich, wie es mir gehe und erzählte von Kim.
Ich habe nicht geantwortet. Wozu auch?*
Nun, an diesem Donnerstag um drei, da fragte die Schwägerin der Mutter nach Kim und als ich einen möglichen Aufenthalt des Mädels verneinte, guckte sie komisch und ich sagte:
„Geh doch durch!“ machte einen Schritt zur Seite, um den Weg frei zu machen.
„Nein,…nein…nein“ kam dann von ihr.
„Doch! Geh‘ durch’s Haus, guck in jedes Zimmer, und versichere Dich, sie ist nicht hier!“
Aber sie wollte nicht. Warum wollen solche Leute eigentlich nie? Sie drücken aus, daß sie mir nicht glauben, aber sich selbst versichern, das wollen sie nicht.
Sie ging. Unser Tag ging weiter.
Nachts um halb zwölf, ich war gerade auf dem Weg ins Bett, als es an der Tür klingelte.
Ich habe Olaf mitgenommen an die Tür, weil ich Angst hatte, wollte aber gucken, weil D. mal wieder außerhalb übernachtete und Omma ihre eigene Wohnung hat.
Steht die Polizei vor der Tür.
Damit die Nachbarn nicht so viel mitkriegen, habe ich sie reingebeten.
Ob ich wisse, wo Kim ist.
„Nein“
Ob sie hier sei.
„NEIN.“
Und dann will Klein-E. auf die Toilette und der eine Polizist stürzte auf die sich öffnende Tür zu. E. machte sie wieder zu. Sie war nicht angezogen.
„Sie soll da mal rauskommen.“ ist seine Ansage.
Ich ging zur Tür und sagte es ihr noch einmal.
„Ich bin nicht angezogen!“ empörte sie sich.
„Dann zieh dir halt was an, der will Dich sehen.“
Dem Polizisten sagte ich, das ich auch Mädchen habe.
Ob ich wisse, wo sie sein könnte, die Kim.
„Harzburg. Irgendwer hat mir was über Harzburg erzählt.“
Ich telefonierte. Rief zuerst den medikamentierten Vater von Patty und Selma in der Klinik an, der so tief schlief, das er nicht zu wecken war. Dann M., der mich nur an A. verwies.
Den holte ich aus seinem Zimmer und während er nur sagte, dass er nichts wisse, telefonierte ich mit D. in Harzburg. Ist doch eh alles eine Mischpoke. D. nannte mir nicht nur einen Namen, sondern konnte mir kurz nach dem Telefonat auch noch eine Adresse schicken.
Weiter gegeben. Die Polizisten gingen.
Ich hatte das Gefühl, A. mauerte und ging noch einmal zu ihm. Er war dabei, das Ganze irgendwie zu klären und erzählte mir, das er Kim gegen 17 Uhr des gleichen Tages am Bahnhof gesehen habe in Begleitung von zwei Männern. Und sie sei mit denen nach Seesen gefahren.
„Dem einen hab ich fast ins Maul gehauen!“
„Warum?“
„Der wollte mich beklauen.“
„Was wollte der dir denn klauen?“
Schweigen.
Aha. Ich weiß Bescheid. Nudelsuppe-am-Stiel.
Er bekam jedenfalls den Namen samt Bild von FB zusammen, ich schickte es der Mutter, die nur sagte, das könne nicht sein und drohte, wenn ihrer Tochter was passiert, würde sie töten.
Ich stellte den Schriftwechsel über What’s-App mit ihr ein und gabdie Informationen an die Polizei weiter.
Auf das Rumgedrohe und Gewüte habe ich keinen Nerv.
Ich ging schlafen. Drei Tage später wird Kim in Seesen in einer Wohnung mit vier Männern gefunden, die polizeibekannt sind und „DA ganz tief drin stecken“. Aha.
Sie machet sich Sorgen wegen des Führungszeugnisses, weil doch bald die Ausbildung beginne, weil Kim „vollgekifft“ aufgefunden worden sei.
Ich schrieb ihr, daß sie sich bei einmal vollgekifft keine Sorgen machen müsse, sowas kommt nicht gleich ins Führungszeugnis, wenn sonst nichts war.
Und damit ist es rum. Für mich jedenfalls. Fertig.
Irgendwann bekomme ich eine Sprachnachricht in der sie erklärt, wir müssten zusammen arbeiten, wir müssten ja keine Freundinnen werden, aber zusammen arbeiten. Sie würde mir auch sagen, wenn sie A. kiffen sehen würde. Wir müssten den Kindern immer einen Schritt vorraus sein. Aber wir müssten zusammen arbeiten, um das alles zu verhindern.
Ich denke drüber nach und denke:
„Nö.“ Ich bin doch kein Co-Alkoholiker. Ich habe denen immer wieder gepredigt, die Finger von Drogen zu lassen, habe die Konsequenzen aufgezeigt. Und? Haben Sie drauf gehört? Nö. Warum also sollte sie genau jetzt darauf hören, wenn ich sage: „Hör damit auf?“
D. als Beispiel, der jetzt vier Wochen Beuge-Arrest absitzt, weil er der gerichtlichen Auflage, in die Schule zu geben und Drogentests zu machen, nicht nachgekommen ist.
Erst habe ich gewettert, gezweifelt an mir und C., geweint, mich gesorgt, gebettelt.
Einmal habe ich ihm gesagt, wie es mir damit geht, wenn er wochenlang wegbleibt.
Und dann hatte ich das Gleichnis vom verlorenen Sohn im Kopf und dachte auf dem Weg zur Tür, weil es geklingelt hatte, darüber nach, warum ich mich nicht einfach freuen darf, wenn er nach Hause kommt. Und machte die Tür auf und D. stand mit gesenktem Kopf davor. Und ich ließ ihn in den Flur, freute mich, umarmte ihn, küßte ihn auf die Wange.
„Schön, das Du da bist. DAS ist soooooooooooooooo schön!“ , weil es das auch ist.
Und ich fragte ihn, ob er was essen wolle? Was trinken? Und dann schlachtete ich die Ziege zur Feier seiner Rückkehr und wandte mich ab von dem Erziehungsding „Wenn Du keine Leistung bringst, dann kriegst du auch kein Gutzele.“, kaufte den Bildschirm, weil der an seinem Laptop kaputt ist ( hat Julz gemacht und nie ersetzt) und das Handy, weil seins den Geist endgültig aufgegeben hat. Er bekam eine neue Handy-Karte und wir sprachen sehr viel. Über seine Freunde. seine Sorgen.
Morgens guckte ich in sein Zimmer. Einmal wachte er gerade in dem Moment auf und fragte:
„Was is‘?“
„Nichts. Ich wollte nur gucken, ob Du da bist. Es ist so schön, dass Du da bist.“
Seine Freunde haben am 4.7.17 Interview bei der Ausländerbehörde und er geht davon aus, dass sie abgeschoben werden. Eigentlich wir alle.
Es tut ihm weh. Und er sprach davon, dass er sich einen Hund wie Lupus, also meinen Althund,wünsche. Und ich habe C. gesagt, dass er einen Freund braucht und gern draußen ist im Wald. Und da braucht man eben einfach einen Hund.
Und als Zwischen-Edit: Heute rief die Haftanstalt an, in der gestern D. seine vier Wochen angetreten hat. Er hat um meinen Besuch gebeten und darum gebeten A., von dem er sagt, dieser müsse doch nicht die Fehler machen, die er gemacht habe, mit bringe.
Nunja, jedenfalls habe ich Kim’s Mutter über Facebook geschrieben, weil das auf der Tastatur schneller geht. Allerdings habe ich nicht ihr Profil erwischt, sondern das ihrer Mutter. War doof.
Ich habe ihr all das geschrieben, was ich denke, und ihr gesagt, dass man sich Informationen holen muss. Aus Selbsthilfegruppen, Beratungsstellen und dem Internet. Damit man einfach weiß, womit man es zu tun hat.
Und das ich niemanden brauche, der mir mitteilt, wann mein Sohn was nimmt. Das sehe ich an seinem Hautbild, seinen Augen und, wenn es ganz dicke kommt, sogar an seinem Verhalten.
Und meinem Unmut musste ich auch Luft machen. Wie jemand mir nachts die Polizei schicken kann, wenn doch nachmittags schon jemand da war. So asselig sind wir nicht, daß wir mit einem gehäßigen Haha einer Mutter ihr Kind vorenthalten.
Da hatte ich aber einen Sturm losgetreten. Nachts um halbzwei ging mein Handy. Wie ich ihrer Mutter so einen Text schreiben könne, die sei dauermedikamentiert.
„Entschuldige bitte, der Text sollte an Dich gehen.“ war meine Antwort.
Und dann ging ich ins Bett. Das Telefon meldete wieder eine Nachricht und ich habe es stumm gestellt.
Morgens fand ich fünf Nachrichten vor mit viel Text. So Endlos-Dinger lese ich eh nicht.
Und ich habe ihr nochmal geschrieben, das wir in Ruhe gelassen werden wollen. Es ist furchtbar, wenn man so wiederlich direkt werden muss, wenn es einem Menschen schon so schlecht geht.