Ostern – späte Karte

ich wünsche, frohe Ostern gehabt zu haben. Dies ist quasi die Karte, die nach den Feiertagen ankommt.

Während der Feiertage hatten wir zu tun. Es kam Besuch, die Mädels hier hatten so genervt, das sie ins Schwimmbad mußten, so daß das am Samstag- Morgen stattfinden mußte….und ich mußte lesen. Fast zwanghaft.

Ich bitte also, diesen Faux pas zu entschuldigen, aber ich muß zurück in die Bücher.

Spurensuche – Was haben wir?

Was haben wir bis jetzt?

Wir haben einen Onkel mit zwei Geburts- und Sterbedaten oder aber zwei mit gleichem Namen und den Onkel noch nicht gefunden.

Wir haben einen Großvater mit zwei Geburtsorten oder zwei Großväter mit einer gleichnamigen Frau.

Warum heiratet die Stütze, und das ist offensichtlich nicht die Haushaltshilfe, die wir kennen, mit 32 Jahren den Landarbeiter und das 1935? Warum offensichtlich? Weil es für Hilfen im Haushalt ganz andere Titel gab. Küchenhilfe, Dienstmädchen, Mamsel.

Wenn das also stimmt, was die längst verstorbene Nachbarin, Frau Schift, gesagt hat,  und eine Stütze eine Tochter aus gutem Haus war, die in den Haushalt einer Freundin der Mutter gegeben wurde, um dort nicht nur die Haushahltsführung zu lernen, sondern auch einen geeigneten Heiratskandidaten zu finden, dann frage ich mich, warum sie einen Landarbeiter-Sohn geheiratet hat, der längst schon Halbwaise war, wie mir eine ganz entfernte Verwandte vor zehn Jahren erzählt hat.

Und warum beginnt der Geburtsname ihrer Mutter, die eine der beiden Trauzeugen ist, einmal in Sütterlin mit X und bei ihrer Unterschrift in Sütterlin mit M?

Wie man sieht, sammle ich Fragen.

Fragen, mit denen ich an die diversen Stellen heran treten kann und werde.

Post Nummer irgendwas

Wir paßt das bloß alles zusammen?

Ich bin nicht immer dran, an der Suche.

Aber ich habe schon eines ganz klar gefunden, eines was bis in unsere Zeit fortwirkt:

Die Brüder Himmler von Katrin Himmler.

Das Buch ist mit einem anderen gestern gekommen und ja, ich gestehe, ich kaufe sie aus einem Antiquariat.

Mehr als die Hälfte habe ich schon gelesen, nach jedem Kapitel höre ich auf, gehe einmal durch die Wohnung, räume den Geschirrspüler ein, um dann doch wieder zum Buch zurück zu kehren. Es ist genau das richtige Buch für mich, es beschreibt die Umstände, die dazu führten, das alles so kam, wie es kam und welche Verwicklungen es gab und, zu dem Schluss war ich schon vor dem Buch gekommen, jede einzelne Geschichte ist nur im Zusammenhang mit den vorher gehenden Ereignissen zu verstehen, auch jede persönliche..

Und eins, was auch noch in unsere heutige Zeit schwappt, das fasst 1910 der Vater von den Himmler-Söhnen in einem  Brief an seine Frau zusammen:

„Die gute und vielseitige Erziehung der Kinder ist jedes Opfer wert.“  aus Katrin Himmler, Die Brüder Himmler, Eine Deutsche Familiengeschichte, Seite 48.

Ich hoffe, ich habe es richtig zitiert. Es gibt noch mehr Stellen, bei denen ich Schnappatmung bekomme. Aber ich denke, ich werde es ein zweite Mal lesen müssen.

 

 

 

Spurensuche

Wie lernt man über andere, wenn man nicht fragen kann, wenn man mit ihnen nicht leben kann?

Ich habe Kochbücher bestellt. Dieses und jenes, mit Bildern und Familiengeschichten, und allen möglichen Rezepten und, obwohl es doch 5 Bücher waren, ist nur eine hand voll standardisierter Rezepte drinnen.

Wie wenn sie nur Klöße gegessen haben oder nur dütt und datt oder aber vielleicht haben sich einfach nur immer dieselben Leute mit Rezepten an der Entstehung dieser Kochbücher mit Rezepten aus Schlesien beteiligt.

Dann lag das Projekt wieder auf Eis.

Man denke an die Post. Und dann hatte ich hier geschrieben und suchte wieder nach den Erfahrungsberichten der Menschen, die vielleicht ein wenig sehr illusioniert über ihre Kindheit in in den Anfängen des letzten Jahrhunderts erzählten und fand nicht wirklich was, stolperte von Klötzchen auf Hölzchen durch das Internet, die unbekannte Landschaft, wie unser Frau Merkel ja mal sagte, und landet erneut auf Vermißten-Listen und landete, wie und warum auch immer, wieder beim Volksbund. Und nun weiß ich ja, wo mein Großvater liegt und kam, völlig aus dem Nichts, auf die blöde Idee, seinen Bruder, der auch in diesem Krieg verloren gegangen ist, zu suchen.

„Vielleicht liegen sie ja zusammen auf dem selben Friedhof. Na hoffentlich konnten die sich gut leiden….“ Auf was man auch immer so kommt.

Also: Online-Suche auf. Name , Geburts- und Sterbedatum rein. Nix.

Aha.

Und dann gibt es neben dem Negativ-Ergebnis eine Rubrik, was der Laie, also ich tun soll, wenn das Ergebnis negativ ist. Okay.

Nehmen Sie das Sterbedatum raus.

Okay.

Nix.

Aha.

Nehmen Sie das Geburtsdatum raus.

Okay.

Bämm. Ein Erich. Vermißt seit dem 1.1.1945. Na, der hatte ja echt keinen guten Start ins Neue Jahr.

Also ein ganz anderes Datum des Todes.

Aha.

Und ein anderes Geburtsdatum.

Aha.

Ich drucke das aus.

Omma kommt rum.

„Hier! Guck mal!“

Sie guckt. Und es dauert eine Weile, bis sie die Unterlagen verglichen hat.

„Naja, die haben ja damals auch viel falsch eingetragen….“

Aha.

Die Suche war jetzt nicht so erfolgreich und ich mochte auch noch nicht wieder beim Roten Kreuz eine Anfrage stellen,  also habe ich mir Bücher bestellt, die über das Leben in der Zeit vor dem Krieg berichten.

Ich hoffe nicht, Statements über die „schmucken Uniformen“ zu finden, sondern einfach mal nur was aus dem Leben zu lesen.

Ob das überhaupt geht? Unsere Erinnerung macht ja Dinge immer gern irgendwie rosa…

Also habe ich noch ein Buch bestellt über die Kehrseite des deutschen Wunders, um einfach mehr über die Ursprünge zu erfahren…

Und vielleicht brauche ich doch mal Zeitungsarchive und Universitätsbibliotheken.

 

Neues von Hempelmanns oder: Boah, bitte nicht!

Wir haben geräumt. Es gab einen neuen Schrank für das Esszimmer, der alte flog zumindest teilweise raus.

„Stell doch einfach den ganzen Sperrmüll in die Garage, ich fahr das dann weg!“ C. ist immer so furchtbar lustig, vieles kriege ich gar nicht mehr die Treppe hoch.

Also sagte ich D., er solle die Stühle, die Matraze, den Buggy, die zwei Badezimmer-Unterschränke, das Kettcar und noch ein paar andere Dinge doch bitte einfach in die Garage stellen.

Sowohl den Doppelbuggy wie auch die kaum gebrauchte Kinderbettmatratze als auch das Kettcar hatte ich wie Sauerbier angeboten und nichts hatte einen Interessenten gefunden. Noch vor Doppelbuggy und Kettcar war die Garage voll und C.  ebbes genervt.

Und so kam er auf die Idee, den eingestaubten Doppelbuggy und das alte Kettcar mit einem Schild „Zum Mitnehmen“ an die Straße zu stellen.

Da stand es nun. Und wir fuhren einkaufen. Als wir wieder kamen, fanden wir nur noch das Schild vor.

Emm ging zu Rossmann und kam wieder  und erzählte, dass Hempelmanns Tochter mit dem Kettcar die Straße auf und ab fahre.

Hempelmanns sind die Nachbarn zwei Häuser weiter, die mit den drei Kindern. Die Eltern erwiedern den Gruß, manchmal. Hin und wieder. Also eher so ab und zu. Die Tochter von Hempelmanns starrte unsere Kinder aus dem Hempelmannschen Garten oft einfach nur an, auch wenn unsere Kinder ein fröhliches „Hallo“ riefen, sie starrte und das machte Mini irgendwann Angst.

„Lasse“, antwortete ich. „Hempelmanns Hund kackt ja auch in unsere Einfahrt.“

Emm mußte die Neuigkeit gleich mal C. erzählen.

Ich ging in den Garten und wollte Forsythien für die Eier schneiden. Eier, Ostern und so. Ich habe nur drei Zweige geschnitten, weil es über den Garten vom Doktor und seiner Frau rief und rief und rief. Beim dritten Zweig begriff ich, dass ich gemeint war.

Es war Herr Hempelmann.

„Danke für das Kettcar!“

DAS fand ich peinlich.

„Nicht dafür. Ist doch schön, wenn jemand Freude dran hat. Die Kleinen kann ich damit nicht fahren lassen und meine Jüngste ist dafür zu schwach. Wird ja nicht besser vom Rumstehen. Hauptsache, ihre Tochter hat Spaß.“

Dann wurde ich ins Haus gerufen und heute grüßt Herr Hempelmann nicht mehr.

Sie sind in den Urlaub gefahren. Woher ich das weiß?  Das Auto vom Doktor seiner Frau parkt bei Hempelmanns in der Einfahrt. Es soll Diebe abhalten. Besser kann man die wirklich nicht informieren, dass keiner Zuhause ist.

Post

Nun habe ich Zeit.

Und eins, der auf die Bank geschobenen Dinge, ist Elfriede Lina Martha Thomas.

Sie gehörte zu den Totgeschwiegenen. Sie war die erste Ehefrau meines Großvaters, die im Juni 1941 im Münde-See ertrunken war.  „Man hat die auch damals ertränkt.“ Das sagte die Frau vom Standesamt in Angermünde am Telefon.

Schon Anfang 1942, im Februar, heiratete mein Großvater meine Großmutter und zeugte meine Mutter, die Anfang November geboren wurde, später noch meine Tante und dann war er weg.

Verschwunden hieß es. Flieger soll er gewesen sein. Irgendwas mit Führerhauptquartier….Vermisst in Russland. Aber mehr kam nicht. Und meine Mutter hoffte nicht nur als Kind, er möge doch einfach wieder auftauchen. Gefragt hat man nicht und meine Mutter tat immer so, wenn sie die Kleinigkeiten von sich gab, als wäre ich ihre kindliche Vertraute.

Und weil Elfriede, die erste Frau meines Großvaters bei uns dazugehört, fing ich an zu suchen.  ich fing an, jede Geschichte zu überprüfen und meine Mutter redete sich in kindlichem Eifer in ihre Geschichten…

Immerhin war ich froh, dass ich die Adresse meiner Urgroßeltern stimmte.

Eigentlich geht es ja um Elfriede, aber ….also suchte ich meinen Großvater. Immerhin hatte er sie ja vorher geheiratet….keine Kinder soll es aus dieser Ehe gegeben , geheiratet hatte er sie 1935. Merkwürdig war zudem, das der Landarbeiter Gustav Adolf zu Vermögen gekommen war und meine Großmutter nach der Heirat in seine Wohnung am Paradeplatz zog und sie, als meine Uroma kam, Glacé holen ging.  Was  ganz, ganz und noch mehr besonderes, so sagte man mir.

Und dann habe ich mich auf die Suche nach dem vermissten Flieger aus dem Führerhauptquartier in Russland gemacht. Und ich bekam Post.

GA0

Dieser Brief fühlte sich in der Hand seltsam an.

Umstände

Die genauen Umstände seines Tode sind uns nicht bekannt. Das klingt nicht gut, das will man nicht wissen.

„Das war wegen der hellen Uniform! Die Flieger hatten so eine hellere Uniform! Deswegen ist der erschossen worden. Ein Bauchschuss!“ sagt Omma.

„Mama, der war kein Flieger. Die Uniform auf dem Hochzeitsbild..“

„Der war FLIEGER! Bordfunker!“ Sie wird sauer. Ich lasse es.

GA1

„Und wo ist er jetzt?“

„In MmmlaWwka.“

Sie will wissen, wo das ist.

„Etwa eine Stunde von Osterode in Polen.“

Sie will noch mal wissen, wie das heißt.

Ich kann kein polnisch. Also sage ich den eingedeutschten Namen: Mielau.

Mit dem Wissen ist ein Teil in mir friedlich geworden. Ruhig und friedlich.

„Da fahre ich nicht hin! Da fahren wir nicht hin!“ Sie ist sich da sicher.

„Ja.“ Du fährst da nicht hin, Mama, aber ich irgendwann schon.

Ich bin froh, zu wissen, wo er ist. Aber ich bin nicht mehr ihre kindliche Vertraute, denn bei Omma legt sich über das Wissen wieder die kindliche Wahrheit…er war Flieger, Führerhauptquartier und so.

Aber mit dieser inneren Ruhe kann ich mich wieder auf die Suche nach Elfriede machen, denn um die geht es doch eigentlich….die soll nicht in Vergessenheit geraten…

 

Emm hat kein Handy

Emm ist 14.  Sie kam am Mittwoch Abend eine dreiviertel Stunde zu spät. Das wird eigentlich nur mit Ausgangssperre geahndet. Allerdings kam sie mit einer Geschichte, die er klärte, warum ihr Handy nicht mehr erreichbar war.

Wir saßen am Tisch. Mal, mein erwachsener Sohn, der Tatortreiniger werden will, D. , mein erwachsener Sohn, der jetzt endlich den Schulabschluß macht, und Mini.

D. wirft sein Handy auf den Tisch. „Ich schlag sie.“

Er springt auf.

„Nein, tust du nicht. Was ist denn passiert?“ will ich wissen.

„Nichts. Sie hat nur was gemacht, was sie nicht machen soll.“

Bei so was werde ich immer hellhörig. Ich weise darauf hin, dass er lediglich der Bruder und nicht erziehungsberechtigt ist und will wissen, was da los ist. Das ist äußerst schwer, weil irgendwie eine Hirnschaltung in den Köpfen erwachsener Brüder falsch abbiegt, wenn es um kleine Schwestern geht.

Emm kommt nach Hause.

Also, das Handy sei kaputt.

Aha.

Die Mutter ihrer Freundin Lina habe sich abends zur Arbeit fertig gemacht ( halb acht, kann nur Thekenschlampe sein), habe sich also zur Arbeit fertig gemacht. Emm sei vorher im Bad gewesen und habe das Handy dort auf dem Waschbecken vergessen.

Tja, und Linas Mutter habe es im Waschbecken versehentlich versenkt.

Okay.

Und dann habe die Mutter versucht, es trocken zu föhnen und deshalb sei Emm zu spät.

Okay.

Ich nahm das Handy an mich, weil eh kaputt und Emm wurde fast hysterisch.

Ich packte das Handy in Reis und Emm forderte es ein und jammerte wie ein kleines Kind.

„Emm, was willst Du? Es ist kaputt.“

Hysterisch jammernd macht sie sich auf den Weg in ihr Zimmer. Vor ihrer Zimmertür begegnet sie D., der sie Hure nennt und noch irgendwas in anderer Sprache, sehr wohlklingend, aber sicherlich ähnlichen Inhalts.

Man sollte in anderen Sprachen beschimpfen. Manches klingt so sehr freundlich und ist es doch gar nicht.

Nunja.

Emm kommt wieder runter gerauscht.

Sie habe nicht mit Stefan geknutscht, sondern mit Damian. Stefan sei Linas Freund.

Ich verstehe die Aufregung nicht.

D. will Stefan schlagen. Emm will das nicht.

Die Wollnys sind gegen uns eine Shakespeare-Aufführung im Staatstheater….

Wer ist denn nun wieder Damian und wer Stefan? Und was haben die Illuminaten damit zu tun?

Ich also zu Emm….sie heult, das Telefon verschwindet unter dem Bett, brav eingelegt in Reis.

Emm erklärt mir unter Tränen, sie habe gelogen.

Tja. Doof.

Es stellt sich heraus, daß Stefan Angus in der Klinik angerufen hatte, um ihn zu fragen, ob Stefan was mit Emm machen darf. Angus sagte ja, wenn keine Drogen und kein Alkohol im Spiel seien…

Idiot. Ein Nein hätte längst ausgereicht.

Tag zwei ohne Handy bricht an.

Emm denkt über Suizid nach, was mir natürlich ob des Aufstandes und der Psychiatrie in Hildesheim in die Hände spielen würde.

Tag drei ohne Handy.

Ich hole Emm von der Schule ab,  sie erklärt, sie könne keine Hausaufgaben machen, weil sie kein Handy habe.

Das Betteln um das Mobilfunkgerät geht in Schreien und Wüten über. Sie holt sogar im Auto zum Schlag aus, unklar bleibt, ob sie den Airbag auslösen wollte oder ihre Mutter , also mich  schlagen wollte.

Zur Sicherheit aller im Haus lebenden entschließen C. und ich uns zur Substitution, in dem wir die Sim-Karte aus dem Gerät entfernen und sie somit nur noch im heimischen Netz „Insta“ nutzen kann. Bei Übergabe beruhigt sie sich wie ein Kleinkind, das endlich seinen Nuckel bekommt.

Dann kommt Tag 7.

Emm bittet mich, sie zu einer Freundin nach Olhof zu fahren. Mache ich auch.

Zweieinhalb Stunden später werde ich informiert, mit genauer Ortsangabe, das Emm gar nicht in Olhof ist, sondern mit der Stefan, der ja jetzt nicht mehr dealt am Bahnhof.

Ich hole sie ab. Ihr Handy landet hinter meinem Sofa, was sie jedoch nicht weiß. Das ist jetzt zwei Wochen her, der kalte Entzug ist fast abgeschlossen, die Ghetto-Queen mit Handy ist eine Jugendliche geworden, die lächelt, offen ist, auch mal zickt, aber ….

Sie ist einfach wieder da.