Da waren wir endlich auf der Zielgerade! Petnidan und Orifil in Kombination und keine einzige Absence mehr. Mini war altergerecht zickig.
Und ich wollte schon eine Lobeshymnen-Mail an den behandelnden Arzt schreiben….
Und dann holt mich C. von der Arbeit ab . Mit nem Elektro-Auto. Und wir fahren in Richtung Heimat und ich bewundere abgebrochene Bäume und Zaunpfähle; Transporter überholen uns und wir diskutieren über das Elektro -Auto, weil es kann nicht schneller als 110.
„Du willst doch jetzt nicht zum Überholen ansetzen?“ Wir nähern uns einem LKW.
„Doch!“ C. will.
„Schaffst Du den überhaupt?“
„Den schon. Das nicht!“ Er nickt in Richtung Seitenscheibe, ein Transporter überholt uns.
C.s Handy klingelt, ich soll dran gehen, es ist die Tagesmutter.
Wie ein Idiot sage ich freundlich jaja, als so Wörter wie „Notarzt“, „gefallen“, „nicht ansprechbar“ kommen. Ich weiß nicht, ob der Empfang mit C.s Handy wirklich so schlecht ist, jedenfalls sage ich ihr, ich rufe mit meinem zurück. Als ich zurück rufe, erfahre ich, das Mini gefallen ist, liegt, nicht ansprechbar ist und man schon den Notarzt verständigt habe.
So, wie sie es schildert, denke ich an eine Hirnblutung, an einen Schädelbasisbruch. Ich lasse mir das Kind geben, spreche sie an und sie brummt mehr a und o, als das es wirklich a und o ist.
Wir legen auf.
Ich erkläre es C. und versuche, unser Omma zu erreichen, damit sich jemand um die Kinder zuhause kümmert.
Omma ist nicht da. Also rufe ich den großen Bruder K. an, erkläre ihm die Siutation und er solle Omma anrufen. C. frage ich, ob er nicht schneller fahren könne…er sagt gar nichts mehr und stellt mir auf meine dauernden Fragen, wie lange es noch dauere, das Navi ein, das auch immer die Restzeit der Fahrt anzeigt. Er zeigt mir zwar, wo das steht, aber ich vergesse das im nächsten Moment schon wieder, denn immer , wenn ich drauf gucke, kann ich diese Zeit einfach nicht finden.
Ich rufe noch mal an und grade ist der Notarzt da. Der Tagesvater gibt mir den, der mir nur sagt, er sei grad gekommen, mache sich ein Bild und melde sich gleich noch mal.
Wir fahren auf die Landstrasse und C. holt mit wahnwitzigen Überholmanövern auf. Als meine Angst größer wird, sage ich ihm, er solle uns nicht tot fahren. Er ist biestig. Entweder wollten wir da schnell hin oder eben nicht, ich müsse mich entscheiden.
K. schreibt mir über Whatś app, das sein großer Bruder ein blödes Kind sei, er Ommas Nummer nicht habe und nun den gewordenen Vater zu den Geschwistern geschickt habe.
Als wir nach Goslar reinkommen, kommt uns ein Krankenwagen entgegen und biegt nach Vienenburg ab.
C. und ich sind uns einig, das da unser Kind drin ist.
„Mach mal Lichthupe!“ sage ich.
„Wo fahren die denn hin?“ will C. wissen.
„Mach irgendwas,wir müssen da hin?“
„Was soll ich denn machen????“
Ich rufe bei der Tagesmutter an. Ich frage die Tagesmutter, wo die das Kind hin fahren.
Das wisse man noch nicht.
Panik hoch zehn! Wie? Das wisse man noch nicht??
Habe ich doch da grade einen Krankenwagen gesehen, der einfach ohne uns abgebogen ist. Eine Information, die ich offensichtlich vergesse zu erwähnen.
„Wo bringen die denn mein Kind hin???“
„Die stehen noch hier!“
Ich bin erleichtert. „Wir sind gleich da. Noch eine Ampel!“
Als wir ankommen, höre ich das Kind schreien! Aus dem Krankenwagen. Rumbrüllen, Heulen, laut und kräftig. Ich bin erleichtert! Hirnblutugen und Schädelbasisbrüche brüllen nicht! Min hat gekotzt und kotzt noch einmal während der Fahrt. Er danach sieht sie wieder völlig normal aus.
Ich fahre mit. Und bleibe auch im Krankenhaus. Wir sind völlig unvorbereitet. Ich verbringe die Nacht auf einem Stuhl sitzend in meinen Arbeitsklamotten neben Minis Bett. Ich kann mich nicht mit den Strassenklamotten da in so ein Klappbett legen. Da sind noch zwei andere Mütter und Kinder….Ich schnarche, wenn ich richtig tief schlafe. Also darf ich nicht tief schlafen.
Eine Kollegin, die selbst von Epilepsie betroffen ist, nimmt sich die Zeit und telefoniert abends mit mir.
Sie erklärt mir ganz viel, Zusammenhänge, Gefühle und was man wirklich machen kann, wenn sowas ist. Ich habe wieder Boden unter den Füssen. Leben ist nicht rum. Es geht weiter.
Am Morgen kommt C., hat Ladekabel und die Hälfte der frischen Klamotten vergessen. Ich fahre zur Arbeit und weil das Handy leer ist, ohne Navi. Ich kenne jetzt halb Braunschweig.
Oh, da hinten ist die Brauerei, neben der meine Firma ist. Mist, ich hätte hier links ab gemusst!
Oh, der Hauptbahnhof….der ist nicht weit von der Arbeit! Mist, hätte ich die rechte Spur nehmen müssen….
Und dann kein Parkplatz!
Meine Kollegen laden mir mein Handy auf, sonst wäre ich mittags nicht zurück gekommen in die Klinik.
Sie versorgen mich mit Informationen und Keksen und Kaffee.
Ich schaffe das bis Mittag, dann breche ich ab. Zu Müde, morgens kein Kaffee, den ganzen Tag von irgendwelchen Keksen ernährt. Nicht mal Mini hat in der Klinik abends noch was zu Essen bekommen; sie hat sich von einer Tüte Chips ernährt und meinem Mineralwasser, das ich mit zur Arbeit hatte. Chips hatte der Papa mit ein paar frischen Sachen mitgebracht.
Wir haben sie gegen ärztlichen Rat mit nach Hause genommen. Es war, wie meine Kollegin gesagt hatte. Wenn das rum ist, ist das rum. Man ist nur unendlich müde. Sie wäre dort eh nur weiter wie bei uns medikamentiert worden und sollte überwacht werden.
WIR hier sind die besten Überwacher! Wir müssen hier eher aufpassen, das wir ihr die Freiheiten einer vierjährigen lassen!
Sie hatte nicht eine Absence, sondern einen generalisierten Anfall, wie das in Arztdeutsch heißt. Einen Grand mal. Und man kann nix machen, nur warten, bis das Arschloch aufhört!