Als ich Kind war, da gab es all diese Kriegswitwen oder diejenigen, deren Verlobte oder Verliebte im Krieg geblieben waren und die danach irgendwie nie wirkich ein Deckelchen gefunden hatten.
In der Sackgasse, in der ich groß wurde, da machten einige Vermieter ein gutes Geschäft, klitzekleine Wohnungen mit seltsamem Schnitt in Altbauten an eben diese zu vermieten….In der Synagoge wohnte Frau Müller mit ihren drei Söhnen, daneben die Griechen, die bei Kamax und in der Schneiderei am Kaiserteich arbeiteten….. Gegenüber Familie Bohn, mit Großeltern und dem leisen Vater von Ingo und Birgit und natürlich der Schenzny, der sicherlich anders geschrieben wurde und noch bis in die siebziger ein Milchgeschäft, ja, ein richtiges, in meiner kleinen Sackgasse betrieb. Und Bäcker Mehl, der Ende der siebziger seine Bäckerei gegen einen Kiosk tauschte. Ja, ne richtige Kleinstadtidylle, wo die Menschen bei der DeteWe noch arbeiteten, bei der Fuba oder bei der Post….
Jedenfalls waren wir Kinder nie unbeobachtet., wenn unsere Eltern auf der Arbeit waren, denn nicht nur zu Marion kam mittags immer der Opa, sondern am frühen Nachmittag, direkt zwischen Mittagessen und Kaffee, da saßen sie bei jedem Wetter im Fenster, diese Kriegswitwen und alleingelassenen Damen mit und ohne Kinder ……
Uns gegenüber wohnte Tante Herbote. Neben Tante Herbote wirken auch heute noch ihr Sohn mit Familie völlig unscheinbar und alle aus dieser Familie waren genauso wie Strenischs mit ihren beiden Anstandskindern so artig, leise, nett und adrett, alle eben….bis auf Tante Herbote.
Tante Herbote war immer da. Meine früheste Kindheitserinnerung war kurz nach dem Umzug in das Haus, das bis zum bitteren Ende der Bank gehörte, ich schlief in dem kleinen Kinderbett, es gewitterte, meine Eltern waren nicht da und irgendwann in der Dunkelheit hörte ich zwischen dem Donner und meinem Gebrüll über die Straße ihre Stimme, die mich rief, ich solle doch mal ans Fenster kommen und gucken…..
Es hat sicherlich eine ganze Weile gedauert……..aber ich habe geguckt, sie hatte so ein weißes Nachthemd mit Blümchen an und saß an ihrem Fenster. Tante Herbote sagte mir, ich solle keine Angst haben, es sei bloß Gewitter und ich solle wieder ins Bett. Bin ich dann auch. Angst hatte ich trotzdem. Da war ich vier.
Wenn ich morgens in die Schule ging, dann saß Tante Herbote am Fenster, wenn ich aus der Schule kam, war sie da und ging erst vom Fenster weg, wenn ich ihre Enkelin Heike mitbrachte, die dort bei ihr wohnte. Aber…..und das, so denke ich, war ihr echter Vorteil, wenn wir Kinder uns trafen oder ich samstags zum Einkaufen für die Mama ging, dann saß´sie da und jedesmal, wenn sie mich sah, fragte sie: „Wohin gehst Du?“
Und damit waren auch immer meine Eltern informiert……..
Bis ich hierher zog, bin ich davon ausgegangen, daß die Tante Herbotes dieser Welt ausgestorben sind. Es gibt sie noch. Tante Herbote wohnt neben mir!
Sie klingelt nicht mehr, sondern guckt in mein Küchenfenster und klopft dann da, wenn sie was will………Kann ich es besser haben, wenn ich nicht hier sein kann, aber meine größeren Kinder schon?
Was ich schnell gemerkt habe, ist, das Tante Herbote die Darjeelings aus dem Geschoß über mich nicht mag. Weil Frau Darjeeling sich nicht einträgt in den Wäschekellernutzungskalender….
Das wird aufhören….Frau Darjeeling und ich ,wir tragen uns nämlich ganz neu ein. Und zwar wechselseitig. Ich denke mal, ich mache Tante Herbote damit einen Gefalllen……denn die anderen müssen sich jetzt auch wieder eintragen…..es kehrt zu seiner alten Ordnung zurück.
Nur das Klopfen am Küchenfenster, das mag ich nicth und das wir d auch nicht mehr vorkommen…..da kommt ne Weihnachtsdeko hin mit Hagebutten- , Tannenzweigen und Weihnachtsgedöns.
Das sind die Kleinigkeiten, aus dem das Leben besteht.
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Schön, da bist Du also wieder! Bin überzeugt, Du kriegst das hin. Jedes Ding hat halt zwei Seiten. Hast Du den Umzugsstress hinter Dir?
LG
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Hallo Flip-per,
danke der Nachfrage, soweit so gut. Die Hände sind noch kaputt von der Kombination Waschpulver-DanClorix für´s Schrubben hier. Aber ansonsten….die Küche steht und funktioniert und ist soooooooooooooo schön geworden, das ich auch gern wieder koche, meine neue Liebe heißt Constructa und ist ein alter Geschirrspüler, die Gardinen hängen und den Wäschestau durch Umzug habe ich nun auch endlich wieder im Griff.
Das, was ich am meisten an der neuen Wohnung mag, ist, das es einfach nicht mehr so viel zu putzen gibt. Gefällt mir. Ich bin nicht so ein Putzlieselchen.
LG
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