Pflegemutter

Ich habe ja in den letzten Wochen so ein bischen Auszeit genommen von hier. Oft war es so, dass ich gar nichts zu erzählen wußte. Und wir haben einen Kurs gemacht. Andere machen auch Verwandtenpflege.

Und dann weiß man immer nicht genau, was darf man erzählen, was nicht.

Aber ich denke, über manches darf ich erzählen.

Verwandtenpflege ist tatsächlich ganz anders als Pflegeeltern. Nun, ganz anders nicht, man bekommt ja in beiden Fällen mindestens ein Kind mehr ins Haus. Bei uns sind es ja zwei.

Diese emotionale Verbindung. Die steht einem schon mal im Weg. Hatte ich anfangs wenig mit den Kindern zu tun, Enkel erscheint mir in diesem Fall nicht wirklich der richtige Begriff, weil Enkel fühlt sich anders an.

Omma. Ich bin gern Omma. Richtig gern Omma. Ihr wißt gar nicht, wie ich das Privileg genossen habe, Erziehung zu resetten. Dieses „Och, lasse doch!“ Diese zwölfte Stückchen Schokolade,  das Spielen mit den Tellern der Jugendstil-Geschirrs…..Alles vorbei, zumindest bei Patty und Selma. Ja, genau. Und manchmal nehme ich das den Eltern übel.

Und ich will denen einfach nichts mehr übel nehmen. Es ist so vergeudetete Kraft. Sich zu ärgern, lähmt im Alltag. Das will ich nicht.

Also sind Patty und Selma mittlerweile einfach welche, die in die Gruppe „die Kinder“ gehören. Sie nennen mich zwar Oma, aber es ist zu einem Zweitnamen verkommen, den mir zu geben meine Eltern nicht in der Lage waren. Wir waren arm…ganz Arm.

Manchmal bin ich überfordert und oft frage ich mich, ob ich das alles wirklich schaffe.Wenn mich Patty beißt, weil die Tür zur Kita offen steht, oder Selma mich den ganzen Tag beschimpft als „blöd“ und „Kackehaufen“. Um dem ganzen die Schärfe zu nehmen, habe wir neue Schimpfworte eingeführt und die sind echt heftig: Staubsaugerbeutel und Fernbedienung, um nur die Schlimmsten hier zu nennen.

Ich nehme den Eltern übel, dass sie nichts wirklich zu Verbesserung ihrer Situation tun und manchmal, wenn die Wäscheberge wieder überhand genommen haben, dann bin ich richtig sauer. Vor allem abends um zehn, wenn ich doch noch eine Maschine anstellen muss, und dann wieder auf dieselbe warten muss. Ich nehme ihnen übel, das weder der eine noch der andere  sich in den letzten Monaten eine Wohnung gesucht haben und  ich mag die ganzen Geschichten, die sie so verzapfen im Moment nicht.

Der Verwandtenpflegekurs war toll. Ich bin erleichtert zu wissen, dass es ganz vielen anderen Leuten genauso geht wie uns. Von Enttäuschung über Ärger und ganz viel Liebe zu den Kindern. Und anfangs dachte ich, es wäre schön , sich mit allen wieder zu treffen, aber ich kämpfe immer wieder mit mir selbst, komme immer wieder an meine Grenzen und brauche um mich herum niemanden, der mir zusetzt und die Eltern schlecht redet.  Wir hatten da die Aufgabe, die Resourcen der uns umgebenden Familie zu bestimmen, zu denen auch die Eltern der Kinder gehörten.  Und es war so ein schlechter Tag, weil ich mich so ärgerte über „Meine Nachbarin hat gesagt, meine Mutter hat gesagt, du hast gesagt….“. Mehr weiß ich nicht,weil ich auch dann der Mutter der Mädchen nicht mehr zugehört habe. solche Gespräche führe ich nicht. Und dann sitzt man in seinem Kurs und so Positives finden und es geht. Mit Mühen geht das. Aber es geht. Und je weniger man sich über die Eltern ärgert, desto mehr Positives kann man finden, auch wenn es nicht unbedingt die gesellschaftliche Norm erfüllt. Für die schlechte Tage werde ich mir eine Liste machen mit positiven Eigenschaften der Eltern. Damit ich sie an schlechten Tagen nicht vergesse. Kein Mensch ist nur schlecht. Alle sind nur Kinder ihrer Erfahrungen, was nicht bedeutet, dass sie so weiter machen müssen.

Ein Gedanke zu “Pflegemutter

  1. Das ist ein sehr schöner Artikel. Diese Zerrissenheit kenne ich auch. Wenn meine Familie sich vom Jugendamt nur runter ziehen ließ, nur den Alltag machte und ich ganz alleine kämpfen musste. So klingt auch dein Text.

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