Reblogged zu meinem Reizthema

Originally posted on 2nd-planet-left: Gerade eben höre ich durch Zufall einen Beitrag über ADHS im Radio und dass ja jetzt auch immer mehr Erwachsene eine Diagnose bekommen. Soweit kein Problem. Ich finde es sogar gut, wenn dieses Thema mehr Aufmerksamkeit in den Medien erhält. Was mich aber gewaltig stört, ist zum einen ADHS als Krankheit…

via Der normierte Mensch – reblogged —

Drei meiner Kinder haben ADHS. Da sie verschiedene Väter haben, kann, es, weil ja vererbt, nur aus einer Richtung kommen.

Jahrelang bin ich mit drei Stunden Schlaf ausgekommen und es war als Kind für mich eine abolute Qual, wenn ich ins Bett gestopft wurde, um die altergerechte Anzahl von Stunden schlafen zu müssen. Ich habe lange wach gelegen. Richtig lange.

Ich hatte einen Tremor, der Dank der Anlage zu Ostechondorse und -porose in der HWS, mittlerweile weg ist und auf eine Sauerstoffunterversorgung bei der Geburt schließen lässt. Ich konnte also lange keinen graden Strich ziehen und wie meine jüngste Tochter nun auch lange nicht Unabstrakt malen. Das führte bei mir nicht nur zu Minderwertigkeitskomplexen sondern auch zu einer Dauer-Vier in Kunst, allerdings nur, bis die moderne Kunst dran war. DA kam ich dann ins Rennen.

Schreiben lernen habe ich gehaßt, ich musste ordnungsgemäß mit rechts schreiben, obwohl das durchaus auch mit links ging, aber ich durfte die Hände nicht wechseln, weil macht man nicht. Immerhin konnte man mein Geschreibsel noch acht Seiten weiter auf weißem Papier des Heftes lesen und meine Mutter ärgerte sich über die ständigen Neuanschaffungen von Füller-Federn. Und diese Kack-Sitzerei. Stundenlang. Ein Lehrer ist mal ausgeflippt, weil ich dauerhaft unter dem Tisch mit dem Bein wackelte, aber irgendwo musste es hin. Dann habe ich Nägel gekaut bis es blutete, aber immerhin war diese Unart gesellschaftlich akzeptiert.  Aber nicht das hier einer denkt, ich wäre das Sportding gewesen. War ich nicht. Ich hatte schon immer Glasbausteine vor den Augen und kann mch an lange Sitzungen in der Augenklinik erinnern, zu denen ich immer für einen Wartebereich mit Holzbänken und stabilem Tisch ein Malbuch bekam. Gott, was das langweilig. Nee, auch keine ganze Fläche, Farbe andeuten reicht. Jedenfalls war dieses Ballgewerfe und -gefange und über irgendwelche Kisten Gehopse nicht meins. Da gab es andere und die habe ich bewundert.

Beim Sticken zuhause, es waren große Stiche , die abstrakte Naturszenen darstellten, benutzte ich weiterhin beide Hände, was meine Mutter ganz kirre machte, so dass es Dramen beim Abwaschen gab. „Man scheuert den Topf mit der rechten Hand!“ Bäm, kam das schlagkräftige Argument.

Beschreibungen waren nicht so meins. Ich merke mir andere Dinge, die anderen einfach nicht aufffallen. Beim Lernstoff, und ich hasse Wiederholungen, merkte ich mir eher die Seitenzahl und konnte zack, das Buch genau dort aufschlagen, wo das Erfragte stand, was in mir die bisher ungeklärte Frage auslöste, warum ich es denn lernen muss, wenn ich es nachschlagen kann.

Lediglich mein Navi kriegt die Strecke mit „Hier links, da rechts “ hin ; ich bin auch nicht hilfreich, einen Weg zu beschreiben, weil niemand was mit Aussagen wie “ Dann kommt da ein richtig großer Baum und da dann links“ oder „an dem kleinen Hutzelhaus rechts“ anfangen kann.

Bis heute bin ich ein Versager im Vokabelpauken. Vor Latein -Klassenarbeiten habe ich am ersten Tag mein Kurzzeitgedächtnis mit den Vokalben aus dem Schulbuch der ersten beiden Jahren gefüllt , am zweiten mit denen aus dem zweiten Schulbuch für die Klasse 9 und 10 und dann habe ich an Tag drei die Klassenarbeit geschrieben, bin mit ’ner vier raus und das reichte mir. Gut, meiner Mutter nicht unbedingt, aber mir schon und sie war dieses Minimalistische auch mittlerweile gewohnt. Schlagkräftige Argumente und Dauerhausarrest, ebenso wie die Aussage, man werde mich ins Heim geben, hatten keinerlei Wirkung gezeigt.

Dafür war ich im richtigen Moment in der Lage, das richtige Zitat anzubringen aus Büchern von Autoren wie Brecht, Goethe, Schiller und Bukowski, und auch da konnte ich sofort die Seite aufschlagen, auf der es stand. Meine erste Begegnung mit Shakespeare hatte ich mit elf und da ging mir einfach nur das Herz auf. Sowas gab es bei uns zuhause nicht, aber in der Stadtbibliothek.

Fahrradfahren und Schwimmen konnte ich besonders schnell. Allerdings habe ich vor fünf Jahren festgestellt, das das nur geht, weil ich der Dauerangst unterliege, abzusaufen ( beim Schwimmen) oder samt Rad umzufallen ( Fahrrad). Immerhin weiß ich jetzt, wie diese Olympischen Redorde zu stande kommen. Die haben auch nur Angst vor dem Absaufen oder Umfallen.

Passwörter und Geheimzahlen merken sich meine Hände, die sind in meinem Hirn nicht hinterlegt. Ich kann sie niemandem sagen, weil ich sie nicht weiß, aber meine Hände schon und sie können das nicht auf irgendeiner Tastatur, sondern nur auf der, die am Gerät steht. Warum? Keine Ahnung.

Viele Dinge sind mir egal. Also Dinge, die alle machen. Weil isso, deshalb machen das alle. Aha. Und warum muss ich das dann machen? Regeln, die für mich Sinn machen, die nehme ich mit. Ich will niemandem schaden. Aber weil alle zum Osterfeuer gehen, gehe ich noch lange nicht. Holzabfackeln kann ich auch im Hof in der Feuertonne, wenn mir danach ist.

Dafür schaffe ich einen großen Haushalt, gehe, seit ich nur noch sieben Kinder zuhause hatte, immer irgendwas außerhalb machen, ob arbeiten oder studieren. Wenn ich nicht schlafen kann, renoviere ich mal eben ein Zimmer. Die Gesichter der Kinder sind unbezahlbar, wenn sie morgens reinkommen.

Als ich studiert habe, habe ich drei Tische gehabt. Auf jedem lang ein Aufgabenzettel und sie sind alle irgendwie sequentiell gelaufen. Wenn ich bei dem einen nicht weiter kam, habe ich erstmal den anderen gemacht und meist fiel mir dann nebenbei ein, wie das andere doch weiter geht. Und am Ende waren sie alle fertig.

Genauso mache ich auch Haushalt. Andere putzen erst die Küche. ich nicht. Wenn ich die Geschirrhandtücher in den Keller bringe, mache ich noch schnell alles Mögliche, was mir auf dem Weg dorthin begegnet und zu erledigen ist, um dann wieder Küche zu machen. Es kann auch sein, dass ich über die Etagen vorher oben im Bad lande und dort mache, um dann irgendwann wieder in die Küche zu kommen. Das nervt C. und viele andere auch. Aber ich kann das nicht anders. Und C. übernimmt gern das Reinigen der Schränke von innen, weil er das in einem durcharbeitet.

In andere Städte zu fahren ist für mich anstrengend. Das mache ich nicht gern. Ich komme da immer völlig kaputt wieder und nehme irgendwann C.’s Hand, damit ich ihn nicht verliere, weil es einfach zu viel zu gucken gibt. Da ist der Mäkkes, da der Bahnhof. Guck mal, der Bahnhof hat da schöne Sandsteine an der Fassade, aber das Fenster dahinten ist neu, das hässlich….Als wir aus Lissabon wieder kamen, war ich völlig kaputt. C. hat immer aufgepasst, das ich nicht vor ein Auto kam oder unter die Strassenbahn. Ich glaube, der Friedhof mit den vielen kleinen Totenhäuschen war für ihn entspannend, weil da keine Autos fuhren  und er durch eine Mauer rund rum begrenzt warum,  er mich also  laufen lassen konnte. Jedenfalls, als wir von dort wieder kamen, war ich kaputt und ging gleich wieder arbeiten. drei Tage später kam das Fieber und ich war ne Woche zuhause. Danach ging es wieder.

Ich fahre nicht gerne in fremden Städten Auto. Das überlasse ich  C.. Es gibt zu viel zu gucken da, dann werde ich von der Geschwindigkeit so langsam, das es hinter uns hupt. In Hannover haben sie mich mal angehalten, weil ich mit nur 50 durch die Stadt gefahren bin, weil ich mich an den Schildern orientieren musste, was durch die Straßenbahnschienen, Verkehrsinseln, Poller recht, Läden, Hosen der Fußgänger echt schwierig wurde.

Namen kann ich mir nicht merken. Ich erkenne Menschen an ihrem Lächeln wieder. Komisch, oder? Das Lächeln prägt sich mir ein. Sonst nix. Nicht die Haarfarbe, nicht die Augen, nicht die Ohren, nicht die Klamotten, sondern nur das Lächeln. Früher auch der Geruch, aber heute, da sie alle Parfüm und Deo und so, isses vorbei mit Geruch.

Auch während des Schreibens dieses Textes bin ich zehnmal aufgestanden, habe zwei Knäckebrot mit Butter bestrichen, abgebissen und dann dem Hund gegeben, vier Scheiben Käse ebenfalls angebissen, dem Hund gegeben, drei Zigaretten auf der Terrasse geraucht und koche jetzt meine dritte Tasse Kaffee, haben zwischendrin mit den Kindern Gespräche geführt und  zweimal mit Omma telefoniert,ende jetzt gleich hier, weil ich noch in den Keller zu Waschmaschine muss und mit Olaf raus.

Wir sind anders. Wir machen Dinge schneller, manchmal zu schnell, unser Mundwerk ist hat diese Eigenschaft leider auch, wir nehmen jedes Fettnäpfchen mit und sind die, die Kleidungstücke vor dem Kauf anfummeln müssen. Groß und Kleinschreibung ist uns oft egal, aber Satzzeichen müssen die Nachrichten über What’s app haben. Wir sind die, die in Nullkomma-Nix mitten im Wald den einzigen Aaronstab entdecken, aber wir können nicht gleichzeitig mit unserem Begleiter reden. Da ist ein Hund echt besser, der will keinen Small-Talk. Uns gehen die Lästerschwestern der Gesellschaft auf die Nerven, weil sie uns nur zeigen,  wie mickrig sie sind und ich finde es gar nicht verquer, sich beim Denken auch immer mal zu bewegen. Auch wenn dass Lehrer nicht wirklich gern sehen.

Wir tragen gern Klamotten, in denen wir uns wohlfühlen, das ist meinen ADHSlern und mir gemeinsam und uns ist es egal, was andere von uns halten, sie sollen uns nur in Ruhe lassen. Diese Einstellung macht mein Leben mit C. so schwer, wegen der Nachbarn. Überfordert mich. Wir verbringen Zeit mit Menschen, weil wir es wollen und nicht, weil Geburtstag ist, weil man durch dieses gemeinsame Blabla beruflich weiter kommen könnte und schalten ab, wenn Gespräche uns nicht mehr interessieren…

Wir sind alle nicht medikamentiert. Wir sind so. Und warum sollen wir Drogen nehmen, Amphetamine, damit wir für andere besser geeignet sind? Wer sagt denn, das wir das dann wirklich sind?

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